Erfolg . Aktion . Bangladesch . 28 Männer freigelassen

AM 21. JULI 2017 WURDEN AUCH DIE LETZTEN FÜNF DER 28 INHAFTIERTEN MÄNNER FREIGELASSEN, DIE BISHER AUCH WEITERHIN GEGEN KAUTION FESTGEHALTEN WORDEN WAREN!

Zunächst waren die Männer nach vorliegenden Informationen unter Abschnitt 377 des Strafgesetzbuches festgehalten worden, nach welchem „der Geschlechtsakt wider die natürliche Ordnung“ verboten ist, dann jedoch wurden alle 28 Männer wegen Straftaten nach dem Drogenkontrollgesetz von 1990 angeklagt.

Von den 28 jungen Männern, die während der Veranstaltung am 19. Mai in der Stadt Kerinaganj südlich der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka festgenommen wurden, waren 23 nach verschiedenen gerichtlichen Anhörungen bereits im Juni gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Die restlichen fünf Männer wurden am 21. Juli 2017 freigelassen.
Den Betroffenen wurde gemäß dem Drogenkontrollgesetz von 1990 der Besitz von Drogen zur Last gelegt. Amnesty International geht jedoch davon aus, dass die Festnahmen der Tatsache geschuldet sind, dass sich die Männer an einem Ort trafen, der als Treffpunkt für schwule Männer bekannt ist. In Bangladesch ist die Schikanierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intergeschlechtlichen (LGBTI) durch Sicherheitskräfte an der Tagesordnung und viele LGBTI haben Amnesty International mitgeteilt, dass sie der Polizei gegenüber äußerst vorsichtig sind. Wer als LGBTI Menschenrechtsverletzungen der Polizei meldet, wird nicht etwa geschützt, sondern oftmals noch von ihr schikaniert, zu „weniger provokativem“ Verhalten aufgefordert und sogar mit einer Festnahme oder mit Strafverfolgung wegen „widernatürlicher Straftaten“ nach Abschnitt 377 des Strafgesetzbuches bedroht.
Es liegen keine genauen Informationen darüber vor, ob die Kaution an Bedingungen geknüpft ist, Amnesty geht jedoch davon aus, dass sich die Männer nicht mehr in akuter Gefahr befinden. Amnesty International wird die Situation weiter beobachten und gegebenenfalls zu weiteren Aktionen aufrufen.
Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind zurzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben.

 
 

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 18. Mai 2017 befanden sich 150 bis 200 Männer bei einer regelmäßigen Veranstaltung in Keraniganj, einer Stadt im Süden der Hauptstadt Dhaka, die viele LGBTI besuchen. Um 2 Uhr durchsuchten Angehörige des Schnellen Einsatzbataillons, eine Verbrechensbekämpfungs- und Antiterror-Eliteeinheit der Polizei in Bangladesch, das Gemeindezentrum, in dem die Veranstaltung stattfand. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen haben über die Jahre eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen – verübt durch die RAB – dokumentiert, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Fälle von Verschwindenlassen. Verschiedene Quellen berichteten Amnesty International, dass die Angehörigen der RAB viele der Anwesenden mit Worten und tätlich angriffen und alle zwangen, sich in einer Reihe aufzustellen. Die Beamt_innen nahmen dann eine “Inspektion” der aufgestellten Besucher_innen vor und nahmen diejenigen fest, die sie aufgrund ihrer Kleidung und ihrer Körpersprache für schwule Männer hielten. Mindestens 28 Personen wurden festgenommen, darunter auch die Besitzer_in des Gemeindezentrums. die übrigen Besucher_innen durften gehen. Laut Medienberichten gab der RAB-Kommandant Jahangir Hossain Matuboor an, das RAB habe das Gemeindezentrum durchsucht, weil Ortsansässige Anzeige erstattet hätten. Er fuhr fort, dass Kondome und Drogen auf dem Gelände gefunden worden seien und dass alle Männer nach der Festnahme “homosexuelle Aktivitäten” zugegeben hätten. Die Männer wurden dann auf die Polizeiwache Keraniganj gebracht, wo sie des Drogenbesitzes gemäß dem Drogenkontrollgesetz von 1990 beschuldigt wurden.
“Homosexualität” ist in Bangladesch eine Straftat, und “der Geschlechtsakt wider die natürliche Ordnung” (Abschnitt 377 des Strafgesetzbuchs) kann bei Höchststrafe mit lebenslanger Haft geahndet werden. Die Kriminalisierung von privatem, einvernehmlichen sexuellen Handlungen mit Menschen desselben Geschlechts verstößt gegen die Rechte auf Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung und verletzt die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Bangladeschs, darunter auch die des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte.
In Bangladesch ist die Schikanierung von LGBTI-Menschen durch Sicherheitskräfte an der Tagesordnung und viele LGBTIs haben Amnesty International mitgeteilt, dass sie der Polizei gegenüber äußerst vorsichtig sind. Wer als LGBTI Menschenrechtsverletzungen der Polizei meldet, wird nicht etwa geschützt, sondern oftmals noch von ihr schikaniert, zu “weniger provokativem” Verhalten aufgefordert und sogar mit einer Festnahme oder mit Strafverfolgung wegen “widernatürlicher Straftaten” nach Abschnitt 377 des Strafgesetzbuchs bedroht.
Die Lage von Angehörigen der LGBTI-Community hat sich seit April 2016 in Bangladesch noch erheblich verschlechtert. Damals wurden zwei bekannte LGBTI-Aktivist_innen Xulhaz Mannan und Mahbub Tonoy von der bewaffneten Gruppe Ansar al-Islam mit Macheten angegriffen und getötet. Xulhaz Mannan war der Vorsitzende von Roopban, einer LGBTI-Organisation, die auch die einzige Zeitschrift für LGBTI im Land herausbrachte. Nach diesen beiden Morden haben die Drohungen gegen die LGBTI-Gemeinschaft sehr zugenommen und viele dazu gezwungen, sich zu verstecken oder Bangladesch zu verlassen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Selbstzensur ist inzwischen die Norm und sogar die wenigen noch existierenden Aktivitäten, die von Gruppen wie Roopban organisiert wurden, sind fast alle eingestellt worden.
Regierungsvertreter_innen unterlassen es nicht nur, die Morde zu verurteilen, sondern machen Aussagen wie der Innenministers Asaduzzaman Kamal, der im April 2016 sagte, dass keine Bewegung, die “widernatürlichen Sex” propagiere, in der bangladeschischen Gesellschaft gestattet sei. Diese Aussagen bringen LGBTI in noch größere Gefahr und signalisieren, dass sie vom Staat keinen Schutz erhalten werden. Für nähere Informationen siehe auch den am 2. Mai 2017 auf Englisch veröffentlichten Bericht von Amnesty International: Caught between fear and repression: Attacks on freedom of expression in Bangladesh.
Foto: Aktion von Amnesty International Bangladesch zum 60-jährigen Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Dhaka, Bangladesch, 10. Dezember 2008, © Amnesty International