Bis 30.05.2017 . Aktion . Russische Förderation . Medien bedroht!

UNTERSTÜTZE DIE MITARBEITER*INNEN DER RUSSISCHEN TAGESZEITUNG NOVAYA GAZETA UND JOURNALIST*INNEN, DIE BEDROHT WURDEN, NACHDEM DIE ZEITUNG ÜBER DIE ENTFÜHRUNGEN UND FOLTER VON SCHUWULEN MÄNNERN IN TSCHETSCHENIEN BERICHTET HATTE.
Am 1. April hatte die unabhängige russische Tageszeitung Novaya Gazeta berichtet, dass Hundert vermeintlich schwule Männer im Rahmen einer koordinierten Kampagne in den Vortagen in Tschetschenien entführt worden seien. Die Reaktionen der tschetschenischen Behördenvertreter*innen reichen von Bestreiten bis zu kaum verdeckten Drohungen. Am 3. April versammelten sich 15.000 Menschen – darunter einflussreiche Persönlichkeiten der tschetschenischen Gesellschaft, Meinungsführer*innen und muslimische Geistliche – in der zentralen Moschee der Hauptstadt Grosny. Bei der Versammlung bezichtigte Adam Shakhidov, ein Berater des tschetschenischen Präsidenten, die Zeitung der Lüge und beschimpfte die Mitarbeiter*innen der Zeitung als “Feinde des Glaubens und unseres Heimatlandes”. In einer auf der Versammlung verabschiedeten Stellungnahme hieß es: “Da die jahrhundertealten Grundfesten der tschetschenischen Gesellschaft beleidigt worden sind sowie die Würde der tschetschenischen Männer und unser Glauben, versprechen wir, dass die wahren Anstifter sich der Vergeltung stellen müssen, ungeachtet, wo oder wer sie sind und wie lange es auch dauern wird.” Eine Aufnahme der Rede von Adam Shakhidov und der gesamten Versammlung wurde im lokalen staatlichen Fernsehen gezeigt und über soziale Medien verbreitet. Nach den Drohungen gegen Novaya Gazeta wurde der unabhängige Radiosender Ekho Moskvy, der die bedrohten Zeitungsmitarbeiter_innen unterstützt hatte, selbst Zielscheibe von Drohungen durch den Mufti von Tschetschenien, Salakh Mezhiev.
Wenn in der Vergangenheit einflussreiche Personen in Tschetschenien öffentlich Vergeltungsschläge forderten, sind daraufhin häufig Angriffe auf die betroffenen Menschen verübt und einige von ihnen getötet worden. Diejenigen, die Drohungen aussprechen, gehen in der Regel straffrei aus, und die Tötungen und andere Angriffe sind bislang weder umfassend noch wirksam untersucht worden. Zu den Opfern derartiger Anschläge gehören die Novaya Gazeta-Journalistin Anna Politkowskaja, die wegen ihrer Berichterstattung über Tschetschenien bekannt war und 2006 ermordet wurde, und die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa, die häufig Beiträge für Novaya Gazeta schrieb und 2009 ermordet wurde.

SCHREIBE BITTE LUFTPOSTBRIEFE, FAXE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN:

  • Bitte leiten Sie umgehend eine wirksame und unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen Mitarbeiter*innen von Novaya Gazeta und Ekho Moskvy ein, wie es Paragraf 144 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation über die “Behinderung rechtmäßiger journalistischer Aktivitäten” vorsieht.
  • Verurteilen Sie bitte öffentlich die Fälle von Drohungen und Gewalt gegen Journalist*innen, und machen Sie deutlich, dass die hierfür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass Russland Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention ist und die Behörden daher verpflichtet sind, die Meinungsfreiheit zu gewährleisten und Journalist*innen vor Bedrohungen und Angriffen zu schützen.

Beispielbrief auf Deutsch und Englisch

APPELLE AN

LEITER DER ERMITTLUNGSBEHÖRDE
Aleksandr Ivanovich Bastrykin
Investigation Committee of the Russian Federation
Tekhnicheskii pereulok, dom 2
105005 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 7) 495 966 97 76
E-Mail: nur auf Russisch über: http://sledcom.ru/references/Organizacija_priema_grazhdan#reception
GENERALSTAATSANWALT
Yuriy Yakovlevich Chaika
Prosecutor General’s Office
ul. B. Dmitrovka, d.15a
125993 Moscow GSP- 3
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 987 58 41 oder (00 7) 495 692 17 25
E-Mail: nur russisch http://ipriem.genproc.gov.ru/contacts/ipriem/send/
KOPIEN AN
OMBUDSFRAU FÜR MENSCHENRECHTE DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Tatiana Nikolaevna Moskalkova
ul. Miasnitskaia, 47
107084 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 607-7470 / -3977
BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030 2299 397
Bitte schreibe die Appelle möglichst sofort. Schreibe in gutem Russisch, Usbekisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir darum, nach dem 30. Mai 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 1. April hatte die unabhängige russische Tageszeitung Novaya Gazeta berichtet, dass Hunderte vermeintlich schwule Männer im Rahmen einer koordinierten Kampagne in den Vortagen in Tschetschenien entführt worden seien. Die Männer sollen gefoltert und in anderer Weise misshandelt und gezwungen worden sein, andere ihnen bekannte LGBTI preiszugeben. Novaya Gazeta gibt an, bestätigte Informationen über mindestens drei Männer zu haben, die von ihren Entführer*innen getötet wurden, doch ihre Quellen sagen auch, dass es viele weitere Tötungen gegeben habe, unter anderem durch Familienmitglieder der Betroffenen. Am 4. April veröffentlichte Novaya Gazeta die Aussagen mehrerer Augenzeug*innen, die nähere Informationen über geheime Hafteinrichtungen in Tschetschenien enthielten, in welchen schwule Männer festgehalten und gefoltert werden. Weitere Informationen hierzu findest du unter https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-080-2017/lgbti-entfuehrt-und-get….
Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die in Tschetschenien über Menschenrechtsverletzungen berichten, werden häufig bedroht und angegriffen. Diese Vorfälle werden nur sehr selten wirksam untersucht. Am 9. März 2016 wurden zwei Mitglieder der Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group (JMG), sechs Journalist*innen russischer, norwegischer und schwedischer Medien sowie deren Fahrerin auf der Fahrt von Nordossetien nach Tschetschenien Opfer eines Überfalls. Etwa 20 maskierte und mit Baseballschlägern und Schlagstöcken bewaffnete Männer, bei denen es sich vermeintlich um lokale Sicherheitskräfte handelte, verprügelten sie brutal. Zwei Stunden später wurde das Büro der JMG in Inguschetien verwüstet. Am 16. März 2016 wurde Igor Kalyapin, der Vorsitzende der JMG, 40 Minuten nach seiner Ankunft in einem Hotel in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny aufgefordert, das Hotel zu verlassen. Der Hoteldirektor begründete dies damit, dass Igor Kalyapin den tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow nicht “lieben” würde. Vor dem Hotel wurde Igor Kalyapin von einer aufgebrachten Menschenmenge erwartet. Er wurde geschlagen, mit Eiern und Kuchen beworfen und mit Mehl und Desinfektionsmittel traktiert. Keiner dieser Vorfälle wurde wirksam untersucht. (Siehe UA-057/2016 unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-057-2016/menschenrechtlerinnen-a… und UA-125/2015 unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-125-2015/buero-verwuestet.)
Am 5. September 2016 wurde Zhalaudi Geriev, der für die Webseite Kaukasischer Knoten schreibt, eine der seriösesten Nachrichtenquellen zur kaukasischen Region und bekannt wegen ihrer Kritik an der Führung Tschetscheniens, vom Bezirksgericht Shali in Tschetschenien wegen des angeblichen Besitzes von 167 Gramm Marihuana zu drei Jahren Haft verurteilt. Bei seinem Gerichtsverfahren zog er sein “Geständnis” zurück und gab an, dass drei Männer in Zivil ihn am 16. April 2016 festgenommen, in ein Auto gezwungen und zu einem Waldstück außerhalb von Grosny gefahren haben. Dort wurde er gefoltert, ehe man ihn den Sicherheitskräften übergab, die ihn dann zwangen, zu “gestehen”.
Am 6. Januar 2017 richtete Magomed Daudov, der Sprecher des tschetschenischen Parlaments und einer der mächtigsten tschetschenischen Beamten, über sein Instagram-Konto eine Drohung gegen Grigory Shvedov, den Chefredakteur des Kaukasischen Knotens. Der Vorfall wurde nicht wirksam untersucht. (Siehe UA-004/2017 unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-004-2017/journalist-bedroht.)
Laut Angaben der NGO Committee to Protect Journalists sind in Russland seit 1992 insgesamt 56 Journalist*innen getötet worden.